Mit dem ersten Atemzug beginnt Ihr Leben hier auf der Erde. Mit dem letzten Atemzug verlassen Sie es wieder. So begleitet Sie Ihr Atem ein Leben lang: er kommt und geht, macht eine Pause und kommt wieder. Dies geschieht meist unbewusst. Halten Sie doch jetzt einmal – bevor Sie weiterlesen – den Atem an und lassen ihn dann wieder kommen und gehen. Beobachten Sie Ihren Atemrhythmus! Begleiten Sie das Kommen und Gehen, ob und wie lang sich eine Pause bis zum nächsten Atemzug einstellt…
Wie gut, dass wir den Atem nicht ständig selbst steuern müssen, sondern die Atembewegung einfach von alleine funktioniert! Wie Ihr Herz, wird auch Ihre Atemfunktion autonom gesteuert. Jedoch können Sie auf die Atmung auch bewusst Einfluss nehmen: halten Sie Ihren Atem eine gewisse Zeit an oder atmen Sie schneller.
Sie können üben, in manchen Situationen Ihre Aufmerksamkeit mehr auf die Ausatmung und in anderen Situationen auf die Einatmung zu lenken. Vielleicht haben Sie das schon bei manchen Körperübungen wie Yoga oder Pilates erlebt? Sie können aber auch einfach ihre Atembewegung begleiten und beobachten in welchen Körperregionen der Atem leichter wahrnehmbar wird. Oder in welchen Bereichen Atembewegung schwieriger zu spüren ist. Wann halten Sie den Atem an oder wann atmen Sie schneller?
Die Möglichkeiten, die eigene Atembewegung zu erspüren, sind unendlich! Sie bieten die Chance, mit dem ganzheitlichen Weg der Atemtherapie mehr über sich selbst zu erfahren. Sie können erleben, wie Sie sich mit Muskelanspannung halten und damit Ihre freie Atembewegung einschränken. Entdecken Sie wie es ist, loszulassen, den Atem frei laufen zu lasse! Üben Sie das Erleben von Gelassenheit!
Die Bedeutung von “Atem”
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Bedeutung und Herleitungen der Begriffe, die eine Verbindung von physiologischer Atemfunktion mit seelischer Entwicklung bereits implizieren:
- Das Wort „Atem“ unserer indogermanischen Sprache kommt von „Atman“ – dem altindischen Wort aus dem Sanskrit, das „Seele, Selbst, Wesen“ bedeutet und damit ausdrückt, dass hinter jeder Form noch eine andere Wesenswirklichkeit steht.
- Atmen drücken wir medizinisch mit “Inspiration und Expiration” aus und in diesen Wortschöpfungen aus dem Lateinischen findet sich das Wort „Spiritus“, also die Geisteskraft im Atem.
In der Atemtherapie können wir in verschiedener Weise mit dem Atem arbeiten
- Atemgymnastik: Darunter versteht man Körperübungen, die insbesondere dem Zweck dienen, unsere Atemmuskulatur zu stärken. Darüber erhöt sich dann auch die Atemleistung. Diese Atemtherapie wird häufig in Kliniken für Atemwegs- und Lungenerkrankungen eingesetzt. Sie ist zunächst ausschließlich auf eine Erweiterung der Atemkapazität gerichtet.
- Atemübungen: Körper- und Stimmübungen werden bewusst und achtsam ausgeführt um ein Ziel zu erreichen. Immer ist Aufmerksamkeit auf die eigenen Möglichkeiten und Grenzen gerichtet. Wichtig ist die Wahrnehmung der Atembewegung, die jede Bewegung unseres Körpers begleitet.
- Atembehandlung: Eine sanfte oder auch kräftige Körperbehandlung, die die Verbindung zwischen Körper, Atem und seelischen Prozessen anspricht. Sie unterstützt den Menschen, diese Wechselwirkung bewusst wahrzunehmen.
- Atemmassage: Eine reflektorische Massage, die der klassischen Massage ähnelt, jedoch über die mechanische Wirkung weit hinaus geht. Sie fördert im Kontakt mit dem Patienten über die körperlichen Reize den freien Atemfluss.
Atemtherapie ist ein ganzheitlicher Weg
- bei vielen Krankheitsbildern (sowohl Lungenerkrankungen wie Asthma und Bronchitis, wie auch chronische Erkrankungen des Nervensystems, Burn-out etc.)
- zur Unterstützung bei der Bewältigung von Lebenskrisen und Stress
- in der Schmerztherapie
- in der Palliativmedizin
- zur Stärkung der eigenen Ressourcen
- zur persönlichen Ausdruckskraft und Stimmbildung
Unser heutiger Alltag in seiner Komplexität und Beschleunigung, mit seinem Leistungsdruck, der Reizüberflutung und der Überbetonung des Rationalen führt zu einer flachen Atmung und zu Atemlosigkeit. Die Folge in ein Verlust an Körperbezug, Gelassenheit und Lebensfreude. Meist erleben wir unseren Körper nur über Schmerzen und Einschränkungen, die ihrerseits wiederum die Atembewegung einschränken.
Generell spiegelt unsere Atmung unsere aktuelle Lebenssituation wider. Die Atmung reagiert aber auch auf alles, was uns innerlich und äußerlich bewegt. Achtsame Körperübungen mit bewusster Wahrnehmung der Atembewegung lösen Spannungen, erhöhen die Beweglichkeit und verbessern die Durchblutung. Ebenso verstärken sie die Körperwahrnehmung und lösen emotionale Blockaden.
Unsere Atembewegung wird überwiegend durch das autonome Nervensystem gesteuert und ist unserem Bewusstsein nicht zugänglich. Dennoch kann der Atem bewusst angesteuert werden und so können wir durch bewusstes Ausführen von Atemübungen so an unbewusste emotional-seelische Zusammenhänge gelangen. Diese Möglichkeit, körperliche Reaktionen mit seelischen Empfindungsmustern zu verbinden wird auch „erfahrbarer Atem“ oder „ganzheitliche Atemtherapie“ genannt und zählt zu den so genannten Körper-Psychotherapien.
Wobei hilft die Atemtherapie?
Atemtherapie unterstützt Sie in Ihrer Selbstorganisation. Sie lernen mit Hilfe der Atemtherapie, ihren Selbstwert zu erkennen. Atemtherapie hilft Ihnen, ihr menschliches Potential zu verwirklichen. Sie lernen ein körperbasiertes Gefühl von Stimmigkeit kennen, das zunehmend mehr die Richtschnur für Ihr Handeln wird.
Atemtherapie ist mit ihren Angeboten in der Einzel- und Gruppenarbeit ein wichtiger Baustein der Gesundheitsvorsorge.