„Menschen, die gut aussehen, sind sympathisch, klug, verlässlich und gesund. Sie sind extravertierter und verträglicher“. So lautet es im gleichnamigen Artikel der Märzausgabe der Zeitschrift „Psychologie Heute“. Sehr eindrücklich werden verschiedene Experimente amerikanischer Wissenschaftler beschrieben, die nachweisen, dass Menschen, deren Gesichter stark durch Sexualhormone geprägt sind, bestimmte Charaktereigenschaften leben. So bildet ein hoher Testosteronspiegel ein Gesicht mit ausgeprägten Kieferknochen, dunklerer Hauttönung, kleineren Augen, größerer Nase und breiteren Backenknochen. In Versuchen wurde nachgewiesen, dass wir diesen Gesichtern mehr Dominanz, Aggressivität und höhere sexuelle Aktivität beimessen. Durch das Testosteron wird das Gesicht auch auf der Ebene der Wangenknochen breiter im Verhältnis zur Höhe, gemessen zwischen Oberkiefer und Nasenwurzel. Wie der Artikel beschreibt, können wir in überzufälliger Genauigkeit innerhalb weniger Sekunden einschätzen, ob ein Mensch ehrlich und vertrauenswürdig ist oder ob er täuscht, zu Dominanz und Macht strebt. Diese Formenbeschreibungen, wie: „breite Gesichter zeigen einen Menschen der sich durchsetzen und widersetzen möchte“, entsprechen durchaus den Aussagen der Psycho-Physiognomik. Das System der Psycho-Physiognomik ist jedoch sehr viel komplexer, und kann damit auch den unterschiedlichen Facetten einer Persönlichkeit gerecht werden. Das schnelle Urteilen über Gesichter, das alten Gehirnregionen entspricht und damit dem Selbstschutz dient, birgt immer die Gefahr, nicht dem ganzen Menschen gerecht zu werden. Um einen Menschen an seinem Äußeren zu erkennen, brauchen wir etwas mehr Zeit und die Bereitschaft uns einzulassen und die unterschiedlichen Ausdruckszeichen miteinander zu kombinieren. Breite Jochbeine in einem Gesicht mit sehr zarter und feiner Haut, mit kleinem Kinn und großen offenen Augen geben eine andere Aussage, als breite Wangenknochen mit langem und breitem Unterkieferbogen, kräftiger Gesichtshaut und kleinen Augen. Ernsthaften Psycho-Physiognomen ist es dabei immer wichtig, nie an reiner Formendeuterei hängen zu bleiben, sondern immer wieder die Ausstrahlungsqualität der Haut und der Augen mit zu berücksichtigen. Nur dadurch lassen sich individuelle Aussagen machen. Auch wenn in diesen psychologischen Experimenten amerikanischer Universitäten Straftäter überzufällig genau identifiziert werden konnten, so warnt die Psycho-Physiognomik vor solchen schnellen Aussagen. Es geht immer darum, sich auf das einzulassen, was wir sehen, mit den Deutungsformulierungen des psycho-physiognomischen Systems zu verbinden und in der Kombination die Merkmale zu einem individuellen Ganzen zusammen zu fügen, um ein tieferes Erkennen des Gegenübers ermöglichen.