Atemtherapie und Atmung nach Infektionen

Gerade nach den letzten zwei Jahren mit der Mikrobe, den Masken und allen weiteren persönlichen und gesellschaftlichen Katastrophen rückt unsere Atmung vermehrt ins Zentrum des Bewusstseins. Wir leben in einer atemlosen Zeit in der immer mehr Menschen nach Atem ringen. Das tiefe Atmen haben wir verlernt oder abtrainiert. Bloß keine Erreger ein- oder ausatmen! Nur Luft einatmen, die möglichst rein, gefiltert und keimfrei ist. Damit hält man aber den Atem an, man hat unbewusst Angst noch voll Luft zu holen und dieses Verhalten kann sich festsetzen. Es braucht dann bewusste Aufmerksamkeit, um diesen gehaltenen Atem wieder zu lösen. Mit so einer angehaltenen Atmung gehen auch Muskelspannungen einher, die je nach Schwachstelle Probleme im ganzen Körper machen können.  

Tiefes Atmen hat mit Vertrauen ins Leben zu tun, damit mich zu öffnen, bereit zu sein zu lernen, was das Leben von mir fordert. Wir sind hier ständig gefordert mit uns und der Welt um uns herum zurecht zu kommen: Partnerschaft, Familie, Beruf, Umwelt, Gesundheit, Glaube – jeder hat mindestens eines dieser Themen in denen er wachsen darf.

Atemgymnastik

Derzeit ist viel die Rede davon, den Atem bewusst zu trainieren, z. B. durch Yoga-Atmung, dadurch den Atem anzuhalten um einen tiefen Atemreiz auszulösen und durch verschiedene Atemgymnastik-Methoden. Das ist eine Möglichkeit, die man durchaus in Phasen trainieren kann. Man muss sich nur klar sein, dass es eine sehr forcierte Methode ist, die viel Willenskraft einsetzt.

Der erfahrbare Atem, den ich im Atemhaus bei Herta Richter während meiner Ausbildung erleben durfte, bietet aber so viel mehr als willentliche Atemübung. Hier geht es darum, mit Achtsamkeit den eigenen Atem zu begleiten, ihm zu lauschen, nach innen zu hören, um wahr zu nehmen wo er mich hinführt. Dieses Begleiten des Atems, das ihm einfach nur den Raum frei macht durch lösende Bewegungen oder Behandlungsgriffe, das öffnet innere Seelenräume. Diese wiederum ermöglichen ein tiefes Durchatmen von innen her. Der Atem ist lebendig wie der Mensch und möchte nicht in starre Übungsregeln gepresst werden. Durch vertieftes beobachten der eigenen Atembewegung, durch das Empfinden und Erleben, was das mit mir macht komme ich zu mehr Hingabe und führe auch die Körperübungen immer neu und mit wacher innerer Bewusstheit aus.

Die Bedeutung des Atems

Es würde heute alles besser gehen, wenn die Menschen wieder zu ihrem Atem finden könnten, d.h. zu Ruhe und innerer Ordnung finden, angstfrei aus der eigenen Mitte, aus einem eigenen inneren wahrhaftigen Wesen leben könnten. Sich weniger von außen beeinflussen lassen würden.

Luftblase, Universum
Michael Rabe

Der Atem spielt eine zentrale Rolle in unserem Dasein, wir können ohne Atem nur ganz kurze Zeit überleben. Dabei reagiert der Atem auf bewusste wie auf unbewusste Vorgänge im Menschen. Wir kennen es alle, dass unser Atem sich verändert, wenn wir uns bewegen und ebenso auf psychische Zustände, Emotionen reagiert. Deshalb bietet Atemtherapie die herausragende Möglichkeit über unser Bewusstsein tiefer einzudringen in unser eigenes Wesen. Atemgymnastik kann sehr hilfreich sein auf dem Weg, sie ist meist der erste Schritt auf dem Weg der achtsamen Körperwahrnehmung. Die inneren Seelentore öffnen sich aber dann, wenn wir uns den Übungen mehr hingeben als sie einfach zu trainieren. Unser Atem registriert wie der feinste Seismograph die leisesten Gemütsbewegungen, unsere Gedanken und Vorstellungen. Wenn wir üben auf unseren Atem zu lauschen, dann wird uns dieser Zusammenhang bewusst. Jede Gemütsbewegung verändert unsere Ausatemluft und das lässt sich chemisch messen und farblich darstellen. Prof. Gates in Washington machte dazu interessante Forschungen.

Der Atem ist also Vermittler zwischen körperlicher und seelischer Verfassung. Deshalb kann Atemtherapie auch bei körperlichen Leiden wie bei seelischen Leiden helfen. Der größte Teil der Atembewegung läuft unbewusst, autonom ab. Doch über Atemwahrnehmung können wir zu einem bewussten Umgang mit uns selbst zu finden. Damit kann uns Atemtherapie zu glücklicher Selbstentwicklung helfen.

Atemtherapie ist dabei immer eine Arbeit am ganzen Körper, ja am gesamten Menschen.

Atmen

Atemübungen für den Alltag

Hier gibt es wieder ein paar kleine Übungen, um uns mit unserer Atembewegung vertraut zu machen:

  • Sich ausgiebig dehnen und räkeln wie eine Katze, wenn sie aufwacht. Dabei immer wieder ein tiefes Gähnen zulassen. Schau doch mal einer Katze oder einem Hund zu, wie die herzhaft gähnen. Wann hast Du Dir das zuletzt gegönnt? Das sollten wir uns möglichst mindestens einmal tgl erlauben. Am besten sogar noch hin und wieder zwischendurch. Meist wird das Gähnen schnell ausgelöst, wenn wir uns anfangen zu räkeln. Kommt kein Gähnen beim Dehnen und Räkeln, dann dürfen wir uns fragen, wo wir festhalten, wo wir verspannt sind, ob wir uns das nicht erlauben?
  • Lege eine Hand auf den oberen Bauchraum unterhalb der Brust und eine Hand gegenüber auf den Rücken und beobachte, wie der Einatem sowohl die Hand vorne wie auch die Hand hinten dehnt und wie der Ausatem die Hände wieder zurückgleiten lässt. Begleite die Körperbewegung unter deinen Händen einige Atemzüge lang. Welcher Raum entfaltet sich durch diese Beobachtung?
  • Und dann wiederholen wir dieselbe Übung wie vorhin, doch achten wir nun darauf, dass der Ausatem uns nicht zusammensacken lässt, sondern die Wirbelsäule unter unseren Händen nach oben und unten wachsen lässt. Der Einatem lässt uns weit werden, der Ausatem lässt uns wachsen.
  • Von dieser Übung ausgehend können wir noch weiter gehen und den Ausatem mit einem tönenden „f“ begleiten. Welche Kraft und Klarheit ergeben sich damit?

Diese kleinen Übungen kann man immer mal zwischendurch ausführen, sie brauchen keine extra Zeit, sondern nur eine extra Portion Achtsamkeit und ein bisschen Disziplin, sich z.B. an der roten Ampel nicht zu ärgern und mit dem Radio abzulenken, sondern diese Zeit als Geschenk zu sehen, um sich im Atem zu erfahren. Nur morgens und abends ein bisschen Zeit, um mit Gähnen in den Tag hinein zu kommen und mit Gähnen sich wieder vom Tag zu verabschieden.

Viel Freude beim Ausprobieren und alles Gute

Erika Rau