Die Angst vor dem Tod

Transformation und Wandel im Rhythmus der Zeit

Gedanken von Verena Conzett und Erika Rau

Gesicht, Seele, Kopf

Wir leben in einer Zeit, in der wir mehr als in früheren Jahren mit der Vergänglichkeit des Lebens konfrontiert sind, mit der Sterblichkeit unseres Körpers. Dabei fällt auf, dass das Thema „Tod“ in unserer Gesellschaft leider immer noch für viele ein Tabu-Thema ist.  Ähnlich wie die Finanzen: man spricht nicht drüber.

Der Tod ist die größte Angst in unserem Leben, die so schlimm ist, dass wir uns nicht damit beschäftigen wollen. Ausgelöst und aktualisiert ist alles durch dieses Virus, das unser aller Leben sehr beeinträchtigt. Die Medien tun das Ihrige dazu, diese Angst vor dem Virus zu schüren, die ganzen Maßnahmen schüren die Angst und nicht das Vertrauen ins Leben. 

Natürlich ist der Abschied von Menschen, die uns nahe stehen, immer etwas Grausames und kann uns bis ins Mark erschüttern. Es bleibt eine Lücke, die nicht mehr geschlossen werden kann.
So hat der Tod in unserer Gesellschaft ein sehr negatives Image. Wir gehen dem Tod und den Sterbenden aus dem Weg, denn diese Situationen sind «fürchterlich» und über fürchterliche Dinge sprechen wir nicht gerne. Es herrscht die allgemeine Meinung, dass der Tod bekämpft werden muss – mit allen Mitteln. Und wenn er schlussendlich doch siegt und den Menschen seines Lebens beraubt, dann sind wir erschüttert, traurig, verzweifelt, vielleicht sogar wütend.

Wie kommt es, dass wir in unserer Gesellschaft die Endlichkeit unseres Daseins so weit weg schieben? Wir gestehen es maximal sehr alten Menschen zu, die die Lebenszeit von 90 Jahren überschritten haben. Erst dann dürfen sie sterben. Und dann auch noch am liebsten  ohne Krankheit.

Die Kontrolle über Leben und Tod ist heutzutage gigantisch. Werfen wir einen Blick auf die Tierindustrie: Leben wird dort tagtäglich zu Millionen produziert, um es kurze Zeit später willentlich wieder zu beenden. Menschliches Leben kann heutzutage ebenfalls zu einem grossen Teil durch medizinischen Eingriff produziert werden. Was beim Menschen anders ist als beim Tier: man hält ihn länger als er selber dazu im Stande wäre am Leben. Bei einer Frühgeburt eines Kindes ist das ein Segen. Bei einem bettlägerigen alten Menschen kann es ein Segen sein, es kann jedoch auch eine Qual sein. Kurzum, der Mensch kann heutzutage massiv in das Schicksal eines Menschenlebens eingreifen. Doch wo sind die Grenzen? Bis wohin ist es gesund, einzugreifen? Wo sind die Grenzen ethischen Verhaltens?  

In unserer Kultur neigen wir dazu, uns abzulenken, möglichst alles was mit Gesundheit zu tun hat, zu delegieren. Wir beschäftigen uns mit Strategien, wie wir den Tod hinausschieben können. In eine Spaßgesellschaft passt dieses Thema nicht.  Doch wie leben wir unser Leben, wenn wir dieses Thema, das jeden von uns betrifft, nicht ansehen, wenn wir ständig weglaufen? Es ist die Frage, was geschehen würde, wenn wir einmal stehen blieben und inne hielten.

Der November ist der Monat des Gedenkens. Wir denken an die Menschen, die schon gegangen sind und geben dem ein bisschen Raum. Hoffentlich nicht nur äußerlich indem wir die Gräber schmücken. Der November ist auch der Monat, indem bald alle bunten Blätter von den Bäumen gefallen sind und sich allesamt am Boden versammeln, um im Frühjahr eine fruchtbare Basis für neues Leben zu bilden.

Wie ist es, wenn ich dabei auch über meinen eigenen Tod nachdenke? Vielleicht kann die Beschäftigung und Aussöhnung mit der Tatsache, dass ich sterben werde, mich von manchen Ängsten, die mein Leben eng machen, befreien? Denn der Tod gehört zu unserem Leben dazu – vom ersten Atemzug an. Und wir sterben ja auch ständig – in jeder Sekunde unseres Lebens sterben Zellen und werden Zellen erneuert. „Nicht nur einen Tod gibt es. Der uns dahinrafft ist nur der Letzte“.  (Seneca)

In der Bibel heißt es:  „Lehre mich bedenken, dass ich sterben muss, dass mein Leben ein Ende hat, damit ich weise werde“. (Psalm 90,12)

Was kann ich also lernen aus der Tatsache, dass ich sterben werde?

Trauer, Tod, Abschied
  1. Durch die Begrenztheit unseres Lebens verdichtet sich unser Leben. Dinge, die begrenzt sind, die endlich sind, können wir viel mehr genießen. Ein Sonnenuntergang, ein schönes Abendessen, den Urlaub usw. Wie wäre die Vorstellung, dass wir ewig lebten? Unser Leben würde sofort an Wert verlieren.
  2. Das Wissen um den Tod bringt Bedeutung und Tiefe in unser Leben. Wir wollen unsere kostbare Zeit nutzen und etwas Gutes daraus gestalten.
  3. Durch das Leben in einem Körper machen wir Erfahrungen in Raum und Zeit. Das ist kostbar und einzigartig. Verlässt die Seele den Körper, dann ist sie frei, weit, mit allem verbunden. Vielleicht ist es diese seelische Verbundenheit, dieses Einssein, das wir hier im Leben immer suchen?

Könnten diese Gedanken vielleicht unserem eigenen Tod ein wenig den Schrecken nehmen, indem wir warhnehmen, dass diese Endlichkeit auch eine Qualität in unser Leben bringt?

Gerne möchte ich Sie anregen, sich hinzusetzen und das Thema Tod und Sterblichkeit einmal in aller Ruhe an sich heran zu lassen. Eines kann ich Ihnen vergewissern: Es wird Sie nicht umbringen. Wenn Sie möchten, schreiben Sie mir Ihre Gedanken auf info@homoecampus.de.

Hier ein paar konkrete Fragestellungen:

  • Was glaube ich, kommt nach dem Tod?
  • Wie geht es mir, wenn ich an bereits verstorbene Nahestehende denke?
  • Welche Erlebnisse habe ich mit dem Sterben?
  • Wo kann ich überall Entstehung des Lebens und Niedergang des Lebens erkennen?
  • Habe ich Angst vor dem Tod oder vor dem Sterben? Vor meinem eigenen oder dem meiner Nahestehenden?
  • Was möchte ich bis zu meinem irdischen Ende noch erlebt, gelernt, geliebt haben?

Wenn wir uns einlassen auf das, wovor wir Angst haben, kann es sich uns zeigen. Darin liegt eine wichtige Ressource.  Wir schauen dem Schrecken in die Augen – auf der übertragenen Ebene ein zutiefst homöopathischer Gedanke. Damit geben wir uns selber das Geschenk, dass der Schrecken überwunden werden kann. Im Hinschauen liegt die Annäherung und womöglich sogar die Versöhnung.